Flow-Orientierung: Arbeit vom Kundenbedarf her neu denken

Wertschöpfung entsteht nicht in Silos sondern dort, wo Teams entlang des Flusses gemeinsam Verantwortung übernehmen.

Wenn Silostrukturen Probleme verursachen, ist die logische Gegenbewegung: den Arbeitsfluss in den Mittelpunkt stellen. Nicht die Abteilung, nicht die Hierarchie sondern den Kundennutzen.

Flow-Orientierung bedeutet, Arbeit entlang des Wertstroms zu organisieren und so Hindernisse, Doppelarbeit und Reibungsverluste systematisch zu vermeiden.

Der North Star Ansatz

Am Anfang steht immer die gemeinsame Ausrichtung. Bevor Strukturen, Rollen oder Prozesse verändert werden, braucht es einen klaren North Star, also ein gemeinsames Bild davon, welchen Outcome = Nutzen oder Mehrwert die Organisation erreichen will. Dieser North Star schafft Orientierung, verbindet Strategie mit Alltag und ist der Maßstab, an dem Verbesserungen ausgerichtet werden.

Merkmale einer Flow-orientierten Organisation

Wer Flow ernst nimmt, verändert grundlegende Prinzipien:

  • End-to-End-Verantwortung: Teams arbeiten entlang des gesamten Wertstroms, d.h. von Idee bis Betrieb. Trennungen wie „Change vs. Run“ verschwinden.
  • Blockaden sichtbar machen: Probleme werden transparent, z. B. über Kanban-Boards, und aktiv gelöst.
  • Kurze Feedbackschleifen: Kundenfeedback fließt kontinuierlich zurück und ermöglicht schnelles Lernen.
  • Arbeit sichtbar machen: Fortschritt, Engpässe und Prioritäten sind für alle transparent.
  • Iterative Verbesserung: Statt großer Umbrüche werden Prozesse Schritt für Schritt optimiert – datenbasiert und messbar.

Messen, lernen, verbessern

Flow lässt sich nicht nur fühlen, sondern auch messen. Organisationen, die Wertströme ernst nehmen, analysieren Kennzahlen wie Durchlaufzeiten, Wertschöpfungsquote oder Wartezeiten. Dadurch wird sichtbar, wo Arbeit stockt, welche Engpässe den Fluss hemmen und wie Verbesserungen tatsächlich wirken. So wird Flow von einem abstrakten Prinzip zu einer steuerbaren Größe.

In der Praxis erleben wir dabei oft einen Widerspruch: Das Management fordert vehement Messbarkeit ein, doch wenn man sich anschaut, wie aktuell gemessen wird, stößt man häufig auf Pseudometriken. Statt echter Transparenz über den Fluss gibt es Kennzahlen, die wenig aussagen oder sogar falsche Steuerungsimpulse setzen. Bevor also sinnvoll gemessen werden kann, müssen zunächst die Grundlagen geschaffen werden. Ein wichtiger Schritt ist die Vereinheitlichung von Arbeitsitem Typen. Erst wenn alle zumindest ungefähr das Gleiche meinen, wenn sie von Projekt, Epic oder Feature sprechen, wird Vergleichbarkeit möglich und damit auch echte Steuerbarkeit.

Produkt- statt Projektorganisation

Ein entscheidender Hebel ist der Wechsel von Projekten zu Produkten:

  • Projekte liefern oft nur „Ergebnisse“ und verschwinden danach.
  • Produkte hingegen werden ganzheitlich betreut, d.h. entwickelt, in Betrieb genommen und kontinuierlich weiterentwickelt.
  • Verantwortung bleibt bei stabilen Clustern, die Kundenwert über die gesamte Lebensdauer sichern.

Organisation entlang von Kern- und Supportwertströmen

Ein weiterer Erfolgsfaktor ist die Ausrichtung entlang von Wertströmen:

  • Kernwertströme fokussieren auf den direkten Kundennutzen.
  • Supportwertströme liefern die Infrastruktur und Unterstützung, damit Kernströme fließen können. So entsteht Klarheit darüber, wer welchen Beitrag zum Gesamterfolg leistet – ohne Doppelarbeit oder Konkurrenz zwischen Abteilungen.

Von As-Is zu To-Be

Flow-Orientierung heißt auch: die Organisation als Ganzes systematisch weiterentwickeln. Dazu gehört eine klare Ist-Analyse (As-Is Map), die sichtbar macht, wie Arbeit heute tatsächlich fließt, inklusive Engpässen, Wartezeiten und Verschwendung. Darauf aufbauend wird ein Zielbild (To-Be Map) entwickelt, das zeigt, wie der Fluss in Zukunft aussehen soll. Der Vergleich beider Bilder offenbart den Gap, aus dem sich konkrete Maßnahmen ableiten lassen.

Warum Flow wirkt

  • Kundenzentrierung statt Bereichsdenken: Der Kunde bestimmt den Takt, nicht die interne Organisation.
  • Weniger Verschwendung: Doppelarbeit und Abstimmungsschleifen verschwinden.
  • Mehr Eigenverantwortung: Teams übernehmen Verantwortung für „ihre“ Wertströme – und treffen bessere Entscheidungen.
  • Höhere Anpassungsfähigkeit: Kurze Feedbackzyklen machen die Organisation widerstandsfähiger.
  • Kulturwandel inklusive: Silos werden durch Zusammenarbeit auf Augenhöhe ersetzt.

Fazit

Flow-Orientierung ist mehr als ein Organisationsmodell – es ist ein Kulturwandel. Statt Kontrolle und Misstrauen treten Transparenz, Verantwortung und Kundenzentrierung.

Doch wie gelingt dieser Schritt-für-Schritt-Weg konkret? Hierzu gibt es bewährte Lösungsmuster, die wir im nächste Beitrag vorstellen werden.